Zeitzeugen: Interviews zum Berliner Mauerfall
Jena, Deutschland
Interview mit Gisela Müller
Gisela Müller wurde 1942 in Hamburg geboren. Sie lebt seit 1979 in Reppenstedt/ Niedersachsen, in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Grenze.
Sie berichtet vom Tag der Deutschen Einheit, den sie und Ihr Mann in Lauenburg erlebten, und der darauffolgenden Ausreisewelle.
Sie pflegten Freundschaften nach Plauen und reisten regelmäßig über die Grenze und brachten dabei Kleidung und Nahrungsmittel mit.
Für Gisela Müller war der wirtschaftliche Umbruch deutlich spürbar.
Den Zuwachs an AFD-Wähler*innen in den neuen Bundesländern rechtfertigt sie durch den Bezug zum Osten und fehlenden Begegnungen mit Migranten*innen. Müller bedauert die zu beobachtenden Neuordnungen der Eigentumsverhältnisse und meint, Bildung und Offenheit zu fremden Kulturen seien die wichtigsten Säulen einer gelungenen Demokratie.
Als „Mauerspechtin“ half sie beim Abtragen der Betonelemente beim Abriss der Berliner Mauen mit.
TAGS: Leben am Grenzübergang, Reisefreiheit, wirtschaftlicher Umbruch, Migration, Mauerspecht (Berliner Mauer abtragen).
Interview mit Heinrich Hauel
Heinrich Hauel wurde 1953 in Dömitz/Mecklenburg-Vorpommern geboren. Seit seiner Geburt lebt er in Bitter/Mecklenburg-Vorpommern – im ehemaligen Grenzgebiet/Sperrgebiet.
Heinrich Hauel berichtet über seine Erfahrungen mit der vorherrschenden Überwachung, einer gesellschaftlichen Befangenheit und fehlender Emanzipation in der Bevölkerung unter Staatsoberhaupt Erich Honecker. Der öffentlichen Bekanntgabe des Zusammenbruchs der Diktatur und der Öffnung der Grenzen stand er zunächst skeptisch gegenüber.
Als bedeutendes Ereignis nach der Wende markiert Hauel die ersten Neuwahlen. Er selbst ließ sich in den Kommunalwahlen aufstellen und begegnete Herausforderungen, die auch im Kontext mit dem gegenwärtigen europäischen Zusammenschluss an Bedeutung gewinnen.
TAGS: Tag der Grenzeröffnung, Erfahrungsbericht vom Leben am Grenzübergang, Überwachung der Stasi, Neuwahlen nach der Wende, Perspektiven für EU.
Interview mit Claus Göpfert
Claus Göpfert wurde 1947 in Salzwedel/Sachsen-Anhalt geboren. Er lebt seit 1989 in Lüneburg/Niedersachsen.
Claus Göpfert flüchtete Ende der 70er Jahre im Alter von elf Jahren gemeinsam mit seiner Familie aus der sowjetischen Besatzungszone nach Lüneburg – ohne es zu wissen oder zu begreifen. Aus Angst entlarvt zu werden, haten seine Eltern vor der Flucht nicht mit ihm darüber gesprochen. Er spricht über den Verlust sozialer Strukturen, seinen Reisen in die DDR und den Vorurteilen, den er sich als Ostdeutscher stellen musste.
Den Mauerfall erlebte er hochemotional. Populistischen Bewegungen und Fremdenfeindlichkeit steht er kritisch gegenüber und zieht Rückschlüsse auf seine eigenen Erfahrungen.
Perspektivisch wüscht sich Göpfert vor allem mehr ökonomische Verteilungsgerechtigkeit.
TAGS: Erfahrungsbericht am Tag der Wiedervereinigung, Flucht, Verlust von Freunden, Fremdenfeindlichkeit, ökonomische Verteilungsgerechtigkeit.
Interview mit Hartmut Benecke
Hartmut Benecke wurde 1963 in Lüneburg/Niedersachsen geboren. Er lebt seit 1990 wieder in Lüneburg.
Hartmut Benecke erinnert sich gut an die Zeit der Wende. Er berichtet aus seiner Berufstätigkeit als Polizeibeamter in Düsseldorf, dem Umgang mit der Stasi-Erblast und der erschwerten Herstellung einer gemeinsamen politischen Haltung. In seiner Wahrnehmung waren die Demonstrationen besonders wichtig für die Ostdeutschen. In seiner Auffassung kam es durch den raschen Prozess der Wiedervereinigung zu vielen Enttäuschungen, gerade in ländlicheren Regionen der ehemaligen DDR. In seinen Augen nicht eingelöste Versprechungen führten zu einem Misstrauen gegenüber der neuen Regierung, das mit dem zunehmenden Rechtsruck in Verbindung gebracht werden kann. Benecke wünscht sich für den europäischen Zusammenschluss, aus diesen Erfahrungen zu lernen.
TAGS: Tag der Grenzeröffnung, Erfahrungsbericht eines Polizeibeamten, Erfahrungen mit Stasi, Rechte Gruppen, Populismus, Perspektiven für EU.
Interview mit Hannelore Berlin
Hannelore Berlin wurde 1953 in Berlin (Ost) geboren. Sie lebt seit 1999 in Lüneburg/Niedersachsen.
Im Alter von zwei Jahren flüchtete ihrer Mutter mit ihr in den Westen. Sie wurde bei einer befreundeten Familie im Westen, getarnt als Junge, versteckt. Sie berichtet detailliert von diesen Erfahrungen.
Zum Bau der Mauer war sie sieben Jahre alt.
Zum Zeitpunkt der Grenzöffnung war Hannelore Berlin als Lehrerin in einer deutschen Schule in Mexiko tätig und konnte deshalb nicht vor Ort sein, was sie im Nachhinein sehr bedauert. In ihrer Erinnerung war ein Jahr nach der Wende, zu ihrer Rückkehr, die große Euphorie vorüber.
Den Zuwachs an Stimmen der rechtspopulistischen Parteien sieht sie kritisch, spricht aber auch von vielen Perspektiven für ein wachsendes Europa.
TAGS: Tag der Grenzeröffnung, Erfahrungsbericht von der Flucht als Kind, Rechte Gruppen, Populismus, Perspektiven für EU.
Interview mit Roman Kalex
Roman Kalex wurde 1980 in Cottbus/Brandenburg (DDR) geboren. Er lebt seit 1999 in Lüneburg/Niedersachsen.
Er erlebte die demokratische Wende aus Cottbusser Sicht.
Roman Kalex nahm die Wende als deutlichen Bruch in seiner Biographie war und berichtet von einer einschneidenden Neuorientierung. Kalex nahm seine Kindheit als strenger und strukturierter im Gegensatz zu der von Kindern im Westen wahr. Nach der Wende kam es in seiner Schulzeit zu maßgeblichen Veränderungen. Hinsichtlich der Themenwahl im Politikunterricht wurde Demokratie aus einem anderem Blickwinkel betrachtet. Lange stand er dem Westen feindlich und angsterfüllt gegenüber und wünscht sich ein friedliches Europa. Die Zunahme populistischer Parteien in Deutschland und der EU identifiziert er als Protestbewegung.
TAGS: Kindheit in DDR, Tag der Grenzeröffnung, Fremdenfeindlichkeit, anderes Demokratieverständnis in DDR, Perspektiven für EU.
Interview mit Lydia Völcker
Lydia Völker ist Erzieherin und in Westberlin, nahe der Grenze, aufgewachsen. Die Wiedervereinigung war für viele in ihrem Umfeld sehr emotional. Die fünf Halbgeschwister ihrer Mutter lebten in Ostdeutschland. Da sie in gutem Kontakt mit ihren Verwandten stand, wurde sie schon früh mit deren Existenzängsten konfrontiert. Die Besuche zu Feiertagen waren geprägt von freiheitlichen Beschneidungen, von denen sie berichtet.
Gerade die eingeschränkte Meinungs- und Reisefreiheit waren stetig zentrale Themen in den Gesprächen in der Familie.
Für Völker beginnt eine demokratische Bildung bereits in der Arbeit mit Kleinkindern. Sie betont, dass Demokratie erlernt werden muss und mit der Achtung der anderen Person beginnt. Die Europäische Union ist für sie ein Gewinn an kultureller Vielfalt. In ihrer Auffassung kann Fremdenfeindlichkeit durch Begegnung mit verschiedenen Kulturen entgegengewirkt werden.
TAGS: Kindheit in der Nähe der Grenze, Demokratische Bildung in der Elementarbildung, Fremdenfeindlichkeit, Meinungsfreiheit und Reisefreiheit, Perspektiven für EU.
Interview mit Mattias Werner
Mattias Werner spricht gerne über die Zeit der demokratische Wende als Ostdeutscher. Den Mauerfall und die darauffolgenden Ereignisse waren einschneidende Erlebnisse für ihn. Als Pfarrer berichtet er von einem falschen Demokratieverständnis und dem Irrglauben, mit der neugewonnenen Freiheit keine Konsequenzen mehr für das eigene Handeln tragen zu müssen.
Die Gemeindearbeit war nur geduldet und unterlag einigen Regularien.
Weiter diskutiert Mattias Werner die Kehrseite des Kapitalismus, die fremd für ihn waren im Osten – beispielsweise Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit. Er wünscht sich mehr soziale Gerechtigkeit und weniger Waffenexporte in kriegsführende Länder. Rechten radikalen Bewegungen steht er sehr kritisch gegenüber. Er betont, dass die Erinnerungen an diese Zeit verloren gehen und gewahrt sowie aufgearbeitet werden müssten. Gegen Ende des Interviews zeigt er ein Foto von sich mit seinem Vater vor einem Trabant.
TAGS: Kindheit in der Nähe der Grenze, Demokratische Bildung in der Elementarbildung, Fremdenfeindlichkeit, Meinungsfreiheit und Reisefreiheit, Perspektiven für EU.